COVID19 – Ups and Downs im Vertrieb (Erfahrungsbericht)

FAB Global Sales Team

von Oliver Sauer

In Wien produzieren wir Messinstrumente zur Qualitätssicherung von Erdölprodukten, hauptsächlich Kraftstoffen und unsere, erst Ende 2018 akquirierte Schwesterfirma in Boston entwickelt Systemlösungen zur Schmierstoffüberwachung um den „reibungsfreien“ Betrieb von Maschinen zu gewährleisten. Gemeinsam gehören wir zu einer Businessunit von AMETEK, die bei $220M Umsatz etwa $75M Profit macht

Beginn

Mit Beginn des Jahres 2020 fand sich das Management des FAB zum jährlichen Kick-Off in Chelmsford, nördlich von Boston ein. Eine Gelegenheit, die ich nutzte, um erstmals ein globales Sales Kick-Off der FAB anzuschließen und alle Sales Funktionen an einem Ort zusammen zu trommeln. Beim Team aus China gab es Verzögerungen mit der Visabereitstellung und unser Regional Sales Manager aus Shanghai und der RSM der Hubei Provinz konnten nicht anreisen.

Bei unseren Sales Kick-Offs dröseln wir das Top-Down Budget auf, setzen es aus Regionalzielen wieder zusammen und entwickeln gemeinsam Strategien, wie wir diese Regionalziele am besten erreichen wollen. Wie binden dabei alle Vertriebsunterstützenden Abteilungen, Produktmanagement, Marketing, Service und Support, mit ein und lassen uns von Engineering sowie Forschung und Entwicklung über die letzten Neuigkeiten informieren. Nach drei intensiven Tagen zerstreuten wir uns am 16.1., beladen mit Zielen, Plänen und voller Enthusiasmus wieder in unsere Herkunftsländer.

In China startete gerade das chinesische Neujahrsfest, in Österreich standen Semesterferien ins Haus und danach war bereits meine erste Chinareise in diesem Jahr angesetzt. Wir hätten ein Kundenseminar mit etwa 150 Teilnehmern am 20. Februar in Shanghai geplant. Allerdings kam es anders. Am 22. Jänner eskalierte die Situation um ein neuartiges Coronavirus in Wuhan, der größten Stadt der Provinz Hubei. „Chinese New Year“ wurde bis zum 10. Februar verlängert, nicht um den Menschen mehr Zeit zum Feiern zu ermöglich, sondern um jeden von der Rückkehr in die Städte und zu ihren Arbeitsplätzen abzuhalten und eine Verbreitung des Virus ein zu dämmen. Jede Person, die verreist war, musste sich nach der Heimreise mindesten 14 Tage in Selbstquarantäne begeben. Zudem wurden tägliche Angaben zum Gesundheitszustand aller Mitarbeiter and die Behörden verlangt. Meine Kollegin, die unser Pekingoffice leitet bewerkstelligte das von ihrem Home Office in Tianjin vorbildlich, ohne einzigem physischen Kontakt zu ihrem Team.  

Eskalation

Von Österreich, besonders aber von USA aus hatten wir eine gute Auftragslage und Lieferungen sollten nach dem „Spring-Festival“ wieder loslegen. Unser Budget war für China besonders hoch, aber wir konnten nicht oder nur bedingt liefern. Mitte Februar rechneten wir bereits Umsatzeinbrüche von $3M auf das erste Quartal hoch und von der Konzernleitung wurde der Supersparmodus verordnet. Reisestopp! Nach China wollte ich sowieso nicht mehr und unser Seminar war bereits abgesagt, alle anderen Reisen waren auf das Notwendigste zu beschränken, Ausgaben generell zu reduzieren. Es war Mitte Februar. Außer von China rechneten wir mit guten Aufträgen. Bis wir ein zwei Tage vor Monatsende gerade mal die Hälfte von unserem Forecast eingefahren hatten.

Februar wurde bei uns ein Desaster, weil international die Investitionen zurückfuhren. PLN, der staatliche Energieversorger in Indonesien und unser größter Kunde, reduzierte sein Jahresbudget auf 50%. Kurzfristig profitierte Thailand von der Krise in China, die inzwischen auch Südkorea erfasste.  Der Streit zwischen OPEC und Russland um Ölförderquoten und das völlig irrationale Aufdrehen der Ölhähne in Saudi-Arabien und den Emiraten führte zu einem wirtschaftlichen Crash rund um die ganze Welt. Konzerne, auch unserer, setzen strikte Maßnahmen, um die Ausbreitung des Virus zu unterbinden und auf die wirtschaftlichen Konsequenzen vorbereitet zu sein.  Über einen „Pandemic Response Plan“ wäre die Aufrechterhaltung der Betriebe zu gewährleisten, Schließungen oder einen Totalausfall der Produktion zu verhindern.

Aufgrund der letzten Eskalation der Lage in Österreich, der angeordneten Schließung der Geschäfte, setzten wir den PRP heute Montag bei uns um. „Social Distancing“ in der Praxis! Ab Morgen läuft die Produktion mit der Minimalbesatzung, die Mechanik schicken wir auf Heimurlaub und die restliche Besatzung verzieht sich wie die Schnecke in ihr Häuschen. Jedoch nicht ohne vorher nochmal die komplette Digitalisierung des eigenen Arbeitsplatzes geübt zu haben.

Möglichkeiten

Die Möglichkeiten sind durchaus vielseitig, besonders für den internationalen Vertrieb. Somit ist für viele von uns das Arbeiten von zuhause aus oder in einem Hotelzimmer eher Regel denn Ausnahme. Voraussetzung: WLAN! Seit ich virtuelle Teams führe, also eine Mannschaft, die über verschiedene Kontinente verteilt zum Einsatz kommt, bedienen wir uns bei Tools wie TeamViewer, Skype oder seit einem Jahr, Teams. Letzteres ist im Microsoft Office 365 integriert, erinnert stark an Slack von Google und erlaubt hohe Produktivität über Meetingräume und Landesgrenzen hinweg. Ergänzt wird in China durch WeChat und sonst wo mit WhatsApp. Ja, auch besonders um Kontakt mit Vertriebspartnern und Kunden aufrecht zu halten. Natürlich ist das wichtigste Tool bei uns SalesForce, unser CRM, das sich irgendwo in den Wolken (Cloud) virtualisiert und für uns überall präsent erscheint.

In Teams, übrigens auch in der Cloud, haben wir unsere virtuellen Meetingräume, nicht erst seit Corona, und verwalten dort gemeinsame Dokumente, Informationen und vor allem überwachen wir unseren Forecast. Teams erlaubt gemeinsamen Zugriff auf Office Dokumente (Excel), Gruppenchats und Telekonferenzen, bei denen wie schon zuvor beim Teamviewer Bildschirminhalte geteilt werden. Auch zentral überwacht: die Fieberkurven unserer chinesischen Kollegen, absolut DSGVO-nonkonform, aber eben China.

An unseren virtuellen, wöchentlichen Sales-LineUp calls ändert der Virus also gar nichts. Was ändert sich? Wir sehen unsere lieben Kunden nicht mehr. Zumindest nicht physisch. Ist China seit ende Jänner nicht mehr aus der Paralyse des lunaren Jahreswechsels und der COVID19  Maßnahemn aufgetaucht, so zeigte sich in den vergangenen zwei Wochen auch Nervosität in den restlichen Ländern. Kundentermine wurden abgesagt oder auf unbestimmt verschoben.

So beschritten wir mehr und mehr die Pfade der digitalen Welt und klopften an den elektronischen Türen unserer Kunden. Besonders beliebt wurden kleine Online-Meetings, über Teams zuerst, dann begannen wir mit Kundenseminaren und Online-Trainings. In China betätigten wir uns hier der Plattform „VHall“. Es erlaubt eine höhere Bandbreite und belastet die eigenen Serverkapazitäten kaum. Das China-Team veranstaltete damit bis zu zwei Seminaren pro Woche mit durchschnittlich knapp hundert Teilnehmern, für unsere Nische recht beachtlich. Der Vorteil eines professionellen Webinar-Systems ist das genauer erfassen des Kunden und seiner Interaktion. Unsere Kollegen in USA setzen auf GlobalSpec von IEEE.

Außerhalb Chinas startete das Vertriebsteam ebenfalls mit Trainingsseminaren und Online-Meetings mit unseren Vertriebspartnern. In China konnten wir damit etwa $1.5M an neuen Projekten akquirieren im Rest der Welt ist unsere „Pipeline“ um fast $2.5M gestiegen. Das ist eine um 80% höhere Steigerung an möglichen neuen Projekten als im Vergleichszeitraum 2019, ohne Corona. Ist es die Konzentration auf das Wesentliche? Weniger Kaffeetrinken beim Kunden, fokussierteres Arbeiten von zuhause? Oder Anderes? Mach ich mir trotzdem sorgen um unsere Auftragslage?

Natürlich! Virtuell scheint das Aufbauen eines gefüllten Salesfunnels eine praktikable Möglichkeit. Aber kommen wir nicht mehr hinaus, um diese Projekte zu entwickeln und abzuschließen wird es schwierig. Wir verlieren derzeit kaum Projekte noch werden unsere Opportunities gecancelt.  Aber das virtuelle „Closing“ haben wir noch nicht im Griff.

Auch wenn COVID19 unser aller Leben derzeit etwas entschleunigt, hoffen wir gemeinsam, dass sich CoVID schleunigst „verZID…“

Oliver Sauer (Präsident der VÖVM)

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